MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch

Große MY TURN-Auftakt- und Vernetzungsveranstaltung in Berlin

Die Auftakt- und Vernetzungsveranstaltung des ESF-Plus-Bundesprogramms „MY TURN – Frauen mit Migrationserfahrung starten durch“ am 27./28. November 2023 in Berlin war ein voller Erfolg und verdeutlichte den wichtigen Beitrag von MY TURN zur Förderung von Frauen mit Migrationserfahrung und ihrer Integration in den Arbeitsmarkt.
 
Rund 200 Teilnehmer*innen, darunter Vorhabenträger, Vertreter*innen der Arbeitsverwaltung sowie übergeordnete Akteure aus Ministerien, der Wirtschaft und seitens der Sozialpartner, blickten gemeinsam auf die Erfolge und Herausforderungen des ersten Programmjahrs von MY TURN. Sie tauschten sich zu bisherigen Erfahrungen aus und diskutierten gemeinsam Lösungsansätze für eine gelingende Integration der Teilnehmerinnen in Qualifizierung und Beschäftigung.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Leonie Gebers, Staatssekretärin im BMAS. In ihrer Begrüßung verwies sie darauf, dass nach Deutschland zugewanderte Frauen zahlreiche Fähigkeiten, Kompetenzen und Potenziale mitbringen, sie gleichzeitig aber häufig vielfältige Unterstützung bei der Vermittlung in geeignete Qualifizierungen und in Arbeit benötigen. Außerdem hob sie die Bedeutung des Programms für den Job-Turbo zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter hervor. Mit dem Job-Turbo setzen das Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit eine Reihe von Maßnahmen um, mit dem Ziel, die Integrationsverläufe für Geflüchtete zu beschleunigen. Sie betonte: „Frauen mit Migrationserfahrung sehen sich oftmals einem ganzen Bündel an Herausforderungen ausgesetzt, die sie bewältigen müssen. Wenn wir sie jetzt nicht zielgerichtet und intensiver unterstützen, wiederholen wir Fehler der Vergangenheit. Wichtig ist, dass auch Frauen eine Perspektive haben und auf eigenen Füßen stehen.“

In einem anschließenden Gespräch mit Staatssekretärin Leonie Gebers sprachen Vertreterinnen zweier Projektträger, Çiler Fırtına vom Multikulturellen Forum und Katja Striegler von migra e. V., über Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung von MY TURN. Zudem schilderte eine Teilnehmerin des Programms, Fahmia Hasn, eine Architektin aus Syrien, in einem sehr persönlichen Beitrag, welche Hürden sie auf dem Weg in Arbeit nehmen musste und wie sie sich durch die Unterstützung von migra e. V. beruflich umorientieren und neu Fuß fassen konnte: „Mein Ziel ist, in Deutschland als Sprachmittlerin mit Flüchtlingen zu arbeiten. [...] Ich möchte, dass meine Töchter stolz auf mich sind!“

In ihrem Impulsvortrag hob auch Düzen Tekkal, Journalistin, Politologin, Sozialunternehmerin und Gründerin der Bildungsbewegung GermanDream, hervor, wie wichtig es ist, Frauen zu fördern. „Wir brauchen Migration – natürlich brauchen wir sie! Und wenn wir Frauen in Deutschland fördern, fördern wir auch die Demokratie“. Sie unterstrich die Notwendigkeit „Möglichkeitsinseln“ für die Entwicklung von Frauen zu schaffen und bei ihrer Integration die Familie als Kollektiv zu berücksichtigen.

Anschließend diskutierten in einer Podiumsrunde Anne Courbois von der DIHK und Dr. Anna Wilde vom BMAS sowie die Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt des Kommunalen Jobcenters Pro Arbeit - Kreis Offenbach, Dr. Susanne Simsek, und des Jobcenters team.arbeit.hamburg, Maria Lys, was es für eine gelingende Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrationserfahrung braucht. Dabei wurden insbesondere die Chancen hervorgehoben, die sich aus einer engen Begleitung der Zielgruppe durch das Programm ergeben. So wurde beispielsweise betont, dass MY TURN einen wichtigen Beitrag gerade für kleine und mittelständische Unternehmen leistet, denen es oft an Unterstützungsstrukturen fehlt, um Frauen mit Migrationserfahrung nachhaltig in Beschäftigung zu bringen und zu halten. Die Mitarbeiterinnen der Jobcenter bestätigten dies und verwiesen darauf, dass MY TURN eine wichtige Unterstützung für die Arbeitsverwaltung darstellt, indem es Frauen auch während ihrer Qualifizierung und nach Eintritt in Arbeit begleitet. Neben dem großen Mehrwert des Programms wurden aber auch bestehende Hindernisse und strukturelle Hürden, wie u. a. fehlende Kinderbetreuung, das Problem der Mobilität in großen Landkreisen oder lange Wartezeiten für Deutsch-Sprachkurse, thematisiert.

In fünf Fachforen präsentierten Projektträger dann Beispiele guter Praxis aus ihrer Arbeit und diskutierten dazu ausgiebig mit den MY TURN-Kolleg*innen. Die Fachforen wurden in insgesamt drei Durchläufen umgesetzt, so dass alle Teilnehmenden die Möglichkeit hatten, an drei der folgenden fünf Themen zu partizipieren:

  • Digitale Ansprache von Frauen mit Migrationserfahrung

    Im Fachforum Digitale Ansprache ging es darum, wie klassische Wege der Ansprache und Information mit digitalen Ansätzen verzahnt werden können.

    Vertreterinnen des Projekts „AVE! – ansprechen, vernetzen, eingliedern“ (Deutsche Angestellten Akademie Leipzig) präsentierten niedrigschwellige Impulse der digitalen Absprache und Projektinformation. Detailliert wurde aufgezeigt, wie die Ansprache von Teilnehmerinnen und die Kommunikation mit Stakeholdern auf Facebook, Instagram und einer Projektwebsite konzipiert und umgesetzt werden kann. Präsentiert wurde ein Marketingplan mit einem „How To“ zu praktischen Beispielen wie Kurs- und Wochenübersichten, Veranstaltungshinweisen, Reels und Infografiken.

    Vertreterinnen des Projektes „ASAMI – Anlauf- und Servicestelle für die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen in Sachsen-Anhalt“ (Minor - Wissenschaft Gesellschaft mbH) stellten die Methode des Digital Streetwork vor, mit der sie aufsuchende Informations- und Beratungsarbeit in community-relevanten Social Media Spaces, konkret in lokalen arabisch- und ukrainisch-sprachigen Facebook- und Telegram-Gruppen, leisten. Teilnehmerinnen werden anschließend an die analogen Beratungsangebote herangeführt.

    Kontrovers diskutiert wurde der Aufwand für die digitale Ansprache. Die Praxisbeispiele adressierten dies, indem sie zwei Möglichkeiten aufzeigten, die unterschiedlich ressourcenintensiv und voraussetzungsvoll sind.

  • Empowerment der Zielgruppe

    Das Fachforum zum Thema Empowerment stellte insofern eine Besonderheit dar, als dass in jedem Durchlauf zwei unterschiedliche Praxisbeispiele beleuchtet wurden.

    So präsentierten in der ersten Runde des Fachforums Vertreterinnen des Projekts „WAVE“ (Kreisvolkshochschule Norden) die Empowerment-Maßnahme „Mobilitätstraining“ und eine Vertreterin des Projekts „MY TURN Chemnitz“ (SBH Nordost GmbH) den Ansatz „Vor-Ort-Exkursionen“. 

    Im zweiten Durchlauf stellte das Berliner Projekt „FiM – Frauenpower in Mitte“ (Club Dialog e. V.) das Konzept „Kreativitätsfördernde Sprachaktivierung“ vor, ergänzt durch eine Vertreterin des Projekts „FEA – Frauen erobern den Arbeitsmarkt“ aus Bielefeld (REGE mbH), die das Angebot „Grundbildung digitale Basiskenntnisse“ präsentierte.

    In der dritten Runde wurden die Praxisbeispiele „Shahrzad“ (Empowerment & Vernetzung im Rahmen gemeinsamer traditioneller Handarbeit) des Projekts „World Wide Women Work Cottbus“ (Stadtverwaltung Cottbus) und „Hilfe zur Selbsthilfe - Stärkung von Frauen mit Migrationshintergrund im Projekt FRESH“ des Frauennetzwerks zur beruflichen Integration e. V. vorgestellt.

    Die Praxisbeispiele vermittelten einen Eindruck davon, wie vielfältig und innovativ die zahlreichen Empowerment-Aktivitäten im Programm sind und wie die Projektakteure zielgenaue Ansätze entwickeln, die den spezifischen Bedarfen ihrer Teilnehmerinnen entsprechen. 

  • Arbeitgeberakquise

    Die Gewinnung von Arbeitgebern ist ein besonders herausfordernder Teil der Arbeit der MY TURN-Projekte. Dies zeigte sich auch im Fachforum Arbeitgeberakquise, das sich dem Thema Arbeitgeberansprache für Menschen mit vielfältigen Vermittlungshemmnissen widmete. Im Fachforum stellten die Referent*innen der Access Inklusion im Arbeitsleben gGmbH die Rolle der MY TURN-Träger als Prozesssteuerinnen und Beziehungsmanager in den Vordergrund und betonten die Notwendigkeit, die (insbesondere auch nicht-formalen) Kompetenzen und Qualifikationen der Projektteilnehmerinnen mit den Anforderungen der Arbeitgeber vor Ort zusammenzubringen. Dies erfordere eine starke Arbeitgeberorientierung mit Perspektivübernahme, eine intensive Auseinandersetzung mit dem lokalen Arbeitsmarkt sowie die Kenntnisse von Anreizen wie Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten (u. a. Lohnkostenzuschüsse, berufsbegleitende Sprachkurse, etc.), um Hemmnissen vorzugreifen oder diese abzubauen. Gleichzeitig sei es wichtig, sich als Träger vor Ort bekannt zu machen, um Vertrauen zu schaffen.

  • Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung

    Im Fachforum Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung stellten die Projekte „Frauen stark im Norden – Charter in den Job“ der Fortbildungsakademie der Wirtschaft Lübeck (FAW) gGmbH Akademie Lübeck und „MY TURN Freiburg“ der Stadt Freiburg im Breisgau vor, wie eine erfolgreiche Kooperation zwischen Projektträgern und Arbeitsverwaltung aussehen kann. Neben einer möglichst frühzeitigen Zusammenarbeit schon in der Konzeptionsphase, wurden regelmäßige Austauschtreffen und enge Absprachen mit Teamleitungen und BCAs der Jobcenter, bspw. im Rahmen von Quartalstreffen, sowie eine transparente und offene Kommunikation zwischen den Mitarbeiter*innen als Erfolgsfaktoren betont. Auch gemeinsame Informationsveranstaltungen und Fallbesprechungen wurde als wichtige Aktivitäten hervorgehoben, um Frauen gemeinsam und eng abgestimmt zu begleiten. Darüber hinaus wurde ein Laufzettel präsentiert, der eingeführt wurde, um die Zusammenarbeit zu unterstützen und den Projektverlauf der Teilnehmerinnen zu dokumentieren.

  • Herausforderung Kinderbetreuung

    Das Thema der Kinderbetreuung beschäftigt viele Menschen in Deutschland, stellt jedoch Frauen mit Migrationserfahrung, die mit Hilfe von MY TURN den Weg in den Arbeitsmarkt finden möchten, vor eine besondere Herausforderung.

    Die Vertreterinnen des Projekts „PerspektivLotsin - Chancen und Kompetenzen vereinbaren“ vom Netzwerk Lippe stellten im Fachforum „Herausforderung Kinderbetreuung“ vor, wie sie Projektteilnehmerinnen zu Elternlotsinnen fortbilden. Teilnehmerinnen, die an einer pädagogischen Ausbildung interessiert sind, können so erste Erfahrungen in dem Bereich gewinnen und gleichzeitig als Multiplikatorinnen andere MY TURN-Mütter dabei unterstützen, sich (erfolgreich) um eine Betreuung zu kümmern.

    Der Diakonieverband Reutlingen versucht den Mangel an Betreuungsplätzen an der Wurzel zu packen, indem sie Teilnehmerinnen ihres MY TURN-Projekts „MY Integration“ helfen möchte, die benötigten Sprachkenntnisse und -nachweise (B2) zu erlangen, um dann als pädagogische Fachkraft ausgebildet zu werden. Hierbei wird Unterstützung von allen Seiten benötigt, weshalb „MY Integration“ einen Runden Tisch mit Vertreter*innen des Landkreises, der Stadt und der Arbeitsverwaltungen ins Leben gerufen hat. 

Auch die Pausen und die Übergänge zwischen den einzelnen Programmpunkten wurden intensiv genutzt, um miteinander ins Gespräch zu kommen, sich untereinander auszutauschen und weiter zu vernetzen. Dabei wurden immer wieder die großen Gestaltungsspielräume und die Flexibilität des Programms gelobt, die es ermöglichen, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Frauen individuell einzugehen und passgenaue Angebote zu schaffen.

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