„Natürlich existieren Hautfarben in der Gesellschaft, aber darum geht es hier nicht.“
Ein Gespräch mit Dina Eid, die das Kern-Motiv der MY TURN-Programmwebsite entwickelt und gestaltet hat
Dina Eid (31 Jahre) kam im Jahr 2015 als Studentin nach Deutschland. Sie hat in Damaskus als Jahrgangsbeste ihren Bachelor in Bildender Kunst und in Düsseldorf einen Master in Kommunikationsdesign abgeschlossen. Heute arbeitet sie als Designerin im Health Care Team der Agentur Digitas sowie als freischaffende Künstlerin in Köln. Dina entwickelte die Grafik für die Website des Programms MY TURN und sprach mit uns über Kunst als Botschaft, Vorbilder und starke Frauen.
Wie kam es, dass Du die Grafik entwickelt hast, und inwiefern spiegelt sie Deine eigene Kunst und Arbeit wider?
Seit zwei Jahren bin ich bei Digitas tätig und arbeite beim Health Care Team. Meine Kolleg*innen im Team wussten, dass ich politisch interessiert bin und gerne illustriere und haben mich gefragt, ob ich die Grafik für das Programm MY TURN entwickeln möchte. So kam es, dass ich auf einmal Teil des MY TURN-Teams war. Die Farben und die Diversität der Frauen entsprechen meiner eigenen Kunst, aber anders als meine Arbeiten, ist die Illustration flächig und nicht linienbegrenzt. Wenn ich zeichne - vor allem wenn ich an Comics arbeite - fange ich immer mit Linien an und erst dann folgen Farben und Flächen. Die MY TURN-Grafik ist eine Mischung von mir und dem Kundenwunsch.
Was mir bei der Grafik immer sehr wichtig war, ist Frauen ohne Hautfarbe darzustellen. Natürlich existieren Hautfarben in der Gesellschaft, aber darum geht es hier nicht. Bei dem Programm MY TURN geht es darum, ausländischen Frauen, die Unterstützung brauchen, zu helfen. Es geht nicht um ihre Herkunft, sondern es geht um die Frauen selbst und ihre unterschiedlichen Bedarfe. Die Grafik repräsentiert für mich auch eine gewisse Stabilität und zeigt Frauen, die wissen, was sie wollen.
Kannst Du uns etwas mehr zu Deinem Werdegang erzählen?
Die Kunst und das Zeichnen waren immer ein Teil von mir. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und wenn mich etwas berührt, greife ich oft zur Kunst, um es zu verarbeiten. Ich zeichne, um damit besser umzugehen. Wir waren drei Mädels zu Hause und meine Familie war sehr offen und hat uns immer ermutigt, uns frei auszudrücken. Ich war in Damaskus bereits Feministin und politisch interessiert, und das ist bis heute ein wichtiger Teil meines Lebens und meiner Kunst. In meinem Bachelor, der in Syrien 4,5 Jahre dauert und mit einem deutschen Diplom vergleichbar ist, habe ich mich dann professionell auf Druckgrafik spezialisiert, während ich thematisch weiterhin Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft untersuchte und darstellte. Meine Bachelorarbeit mit dem Titel „Atelier ohne Nummer“ griff diese Themen auf und war Ausdruck dafür, wie sich die syrische Frau zu Hause hinter verschlossenen Türen verhält. Auch in meiner Masterarbeit habe ich mich mit der Rolle von Frauen in der Gesellschaft beschäftig und die Integration syrischer Frauen in Deutschland in einem Comic-Magazin dargestellt.
Während ich nach meinem Bachelorstudium in Syrien zunächst als freie Künstlerin gearbeitet und oft Frauen porträtiert habe, arbeite ich heute weniger mit Portraits, sondern bin hauptsächlich als Illustratorin tätig. Ich entwickle Comics, Charaktere und Geschichten. Ein Beispiel meiner Arbeit ist das Kinderbuch "The little dancer in me", das ich geschrieben und illustriert habe.
Was inspiriert Dich bei Deiner Arbeit?
Bei meiner Arbeit in der Agentur inspirieren mich das Team und die Menschen, mit denen ich arbeite. Sie unterstützen mich und das schätze ich sehr. Als Illustratorin inspiriert mich Kunst, die etwas ausdrücken will. Schöne Technik kann man erlernen, aber mit Kunst etwas auszudrücken ist ein kreativer Prozess, den man nicht erlernen kann. Wenn ich arbeite, dann weiß ich oft bereits den Titel eines Gemäldes, bevor das Bild da ist. Es geht meist darum, eine Idee oder Emotionen einzufangen und etwas zu erzählen. Beim Auftrag für MY TURN hat mich besonders die politische Dimension motiviert. Ich habe mich bereits in meiner Masterarbeit mit der Integration von Frauen in Deutschland beschäftigt und ich war direkt interessiert, weil etwas Gutes und Sinnvolles hinter der Grafik und dem Programm steht.
Hast Du eine Künstlerin, die Dich inspiriert bzw. ein künstlerisches Vorbild?
Es gibt viele Künstler*innen, die mich inspirieren wie z.B. Youssef Abdelke, Noor Bahat Mohannad Orabi, Kinda Ghanoum oder auch Gustav Klimt.
Youssef Abdelke macht sehr realistische und detaillierte Kunst mit Kohlestiften. Er malt riesige Gemälde und ich liebe es, wie er große Ideen mit kleinen Bildern erzählt und ausdrückt, wie z.B. ein Bild von dem Schuh eines Soldaten, der Krieg symbolisiert.
Gustav Klimt mag ich als Künstler, auch wenn er als Mensch umstritten ist und viel kritisiert wird. Ich mag es, wie er Frauen in seiner Kunst zelebriert – die Frauen sehen stark aus und strahlen Freiheit aus. Vor allem mag ich seine Muster und Strukturen, die ich als orientalisch bezeichnen würde und die mich deshalb ansprechen.
Noor Bahjat, ist eine junge syrische Künstlerin und ich habe großen Respekt vor ihr, insbesondere da ich ihre Entwicklung gesehen habe. Ich liebe ihre Farben und ihre Kunst; sie arbeitet ganz anders als ich, aber auch sie feiert die Frauen sehr.
Mehr zu Dinas Arbeit gibt es hier: